in großen Organisationen - ein Paradox?

Seit Jahrzehnten kämpfen wir im Software-Business an den immer gleichen Problemen: Wir produzieren zu viele und zu schwerwiegende Fehler, wir sind nicht effektiv genug bei der Entwicklung gerade komplexer Softwaresysteme und – in den letzten Jahren immer mehr zunehmend – wir sind nicht flexibel genug in der Anpassung existierender Systeme an sich ständig verändernde Anforderungen in sich schnell entwickelnden Märkten.

Doch während in vielen Industriezweigen Lean Management nicht nur propagiert, sondern systematisch eingeführt wurde, hat unsere Software-Industrie lieber die unendlich scheinende Geschichte von mehr oder weniger iterativen Vorgehensmodellen und mehr oder weniger formalisierten Projektmanagement-Modellen durchgekaut, mal mit einer Prise ISO, mal mit einem Schlag CMMI, dann wieder mit der Zertifizierungsformel PMI. Das Ergebnis war aber fast immer dasselbe: Viele Regeln und viel Ordnung, aber wenig Effizienz und Kreativität. Ein CIO einer großen Versicherung sagte kürzlich in einem Gespräch: „Jetzt haben wir endlich Ordnung in unserer Multiprojekt-Landschaft. Aber es kommt keiner meiner Mitarbeiter mehr, der sagt: „Ich habe da mal eine Idee. Oder: Ich habe da mal was ausprobiert, und das würde uns wirklich voranbringen.“ - Ich glaube, wir haben zu dicke Krusten gebildet“.

Und auf dieses Bedürfnis nach Bewegung gerade in großen Organisationen treffen die Heilsbotschaften der agilen Evangelisten. Während in der „Szene“ schon erste Gähnreflexe zu bemerken sind, wenn schon wieder agile Success-Stories verbreitet werden, wird das Management nun allmählich aufmerksam. Sollte hier vielleicht der Hebel zu wirksamer Verbesserung von Reaktionsgeschwindigkeit, Qualität und Effektivität liegen? Ist die Agilität der Schlüssel zum „Lean IT Management“? Die Internet-Companies wie Immobilien-Scout-24 und XING haben es doch vorgemacht, oder?

Aber lassen sich diese Erfahrungen so einfach auf andere IT-Organisationen übertragen? Zum einen wird es spannend zu beobachten, wie dieselben meist jungen IT-Verantwortlichen sich nun in traditionellen Umfeldern, die sie nun vermehrt aus den Internet-Companies abwerben, bewegen werden. Zum anderen gibt es inzwischen die ersten Erfahrungen mit der Einführung agiler Verfahren großen Unternehmen, die beweisen, dass es geht. Wolfgang Keller e.a. mahnen allerdings in einem Erfahrungsbericht zu Recht: „Nur weil Fahrschüler ein T-Shirt mit der Aufschrift „agile” bekommen, können sie noch lange nicht mit einem Michael Schumacher oder Sebastian Vettel in einem Rennen mithalten. Bei den Entwicklern, die das agile Manifest mit geprägt haben, muss man sich darüber klar sein, dass es sich um Spitzenkönner ihrer Branche handelt.“ Und was für Entwickler gilt, gilt für Manager umso mehr. Wir würden das Bild ein wenig verändern und sagen: Nur weil man erfahrener Lenker eines 40-Tonnen LKWs ist, kann man noch lange nicht mit einem Michael Schumacher oder Sebastian Vettel in einem Rennen mithalten. Die Erfahrung lehrt uns, dass auf das Management noch so manches „Kurventraining“ zukommt. Nicht nur, dass dem mittleren Linien- und Projektmanagement-Personal ein klare Perspektive aufgezeigt werden muss, es heißt vor allem: Klare Ziele und klare Prioritäten vorgeben! Und: Macht abgeben an selbststeuernde Teams! Und zumindest im letzten Punkt trifft man heute noch viele wunde Punkte amtierender IT-Manager.

Aber der Teufel steckt auch bei dem agilen Umbau einer großen Softwareentwicklungsorganisation nicht nur im globalgalaktischen Management-Ansatz, sondern auch in dem richtig dosierten handwerklichen Geschick in der Umsetzung.

Eine Reihe von praktischen Fragestellungen tauchen sehr schnell auf, wenn man sich näher an den Umbau wagt:
- Nach welchen Kriterien kann ich die Teams schneiden?
- Wie kann ich in einer agilen Organisation architektonische Rahmen setzen?
- Wie gewährleiste ich die operative Umsetzung meiner Softwareproduktstrategie durch ein agiles Anforderungsmanagement, also auf der Fachseite?
- Wie kann man in einer agilen Organisation eine verlässliche Releaseplanung schaffen?
- Wie muss ich die QS verändern, damit sie der Verschlankung dient und nicht im Weg steht?

….Um beides zu schaffen, einen eindeutigen Wandel im Mindset des Managements und eine erfolgreiche operative Umsetzung der Veränderung braucht es eine an Zielen und Werten gleichermaßen ausgerichtete Vorgehensweise, die dem Management ein solide Entscheidungsbasis für den Weg in die Agilität gibt und dem Veränderungsprojekt genügend Rahmen auf der Basis von Best Practices, aber eben auch genügend Raum für individuelle Gestaltungs-Notwendigkeiten.

Genau ein solches Vorgehensmodell und die praktischen Erfahrungen damit werden in dem Beitrag beschrieben. Während man zu Beginn in einer eher klassischen Analysephase die Stellen in der Entwicklungsorganisation herausarbeitet, wo Verbesserungsbedarf überhaupt besteht und man aus seinem agilen Werkzeugkoffer in einem zweiten Schritt die dazu passenden Maßnahmen zu einem Zielbild schmiedet, ist der eigentliche Umsetzungsprozess ein iterativer Prozess in einer zunehmend lernenden Organisation…..

Präsentation Download

Link: http://www.scrum-day.de/archiv/scrumdayjul12sap/vortraegedownload/DieagileEntwicklungingrossenOrganisationen.pdf

Referent: Dr. Thorsten Janning; Kegon AG

Dr. Thorsten Janning (geb. 1962) ist Dipl. Mathematiker und seit 1990 in der IT-Branche tätig. Sein beruflicher Werdegang führte ihn als IT-Architekt und Projektleiter über verschiedene Beratungs- und Anwen­der­unternehmen sowie eine Hochschulprofessur zu einem börsennotierten IT-Beratungsunternehmen, wo er als Partner und Geschäftsführer den Aufbau des Systemhauses verantwortete. Als Managementberater und Mitgründer der KEGON AG berät und publiziert Herr Dr. Janning erfolgreich zu den Themen Projektmanagement, effiziente Organisationen und moderne Architekturen.